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Finanzsektor: Kaum Fortschritte bei grünen Investments

Seit dem Geschäftsjahr 2023 stehen Finanzunternehmen unter einer neuen, weitreichenden Verpflichtung: Sie müssen offenlegen, inwieweit ihre Investmentportfolios mit den beiden vorrangigen Klimazielen der EU – dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel – übereinstimmen. Diese Offenlegungspflicht ist Teil der EU-Taxonomie, einem Regulierungsinstrument, das Investitionen gezielt in nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten lenken soll. Zusätzlich zur eigentlichen Konformität mit diesen beiden Zielen müssen Finanzinstitute die sogenannte Taxonomiefähigkeit ihrer Anlagen in Bezug auf alle sechs EU-Umweltziele erfassen. Damit reicht der Blick über die reine Klimapolitik hinaus – er umfasst auch Themen wie den Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, die Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung von Umweltverschmutzung und den Schutz der Biodiversität. In der Praxis bedeutet dies, dass Banken und Vermögensverwalter nicht nur den ökologischen Fußabdruck ihrer Investitionen messen, sondern auch transparent darlegen müssen, wie sie ihr Kapital einsetzen, um einen konkreten Beitrag zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu leisten.

Doch die Fortschritte, die in den ersten Berichtszyklen erzielt wurden, bleiben bislang überschaubar. Das liegt nicht an mangelndem Willen, sondern an einer ganzen Reihe struktureller und operativer Hürden. Die Erhebung präziser Nachhaltigkeitsdaten ist ein komplexer Prozess, der einheitliche Standards, robuste Lieferketten und eine verlässliche Datenverfügbarkeit voraussetzt. Viele Unternehmen, in die investiert wird, liefern bislang jedoch gar keine oder nur unvollständige Informationen zur Taxonomiekonformität ihrer Aktivitäten. Banken und Vermögensverwalter sehen sich damit gezwungen, auf Schätzungen und Näherungswerte zurückzugreifen – ein Ansatz, der zwar formell zulässig ist, aber die Datenqualität massiv schmälert. Hinzu kommt, dass die EU-Taxonomie ein sehr technisches Regelwerk ist, dessen Anwendung umfangreiches Fachwissen erfordert. Die Klassifizierung wirtschaftlicher Aktivitäten nach Taxonomie-Kriterien ist kein einfacher Haken auf einer Checkliste, sondern ein komplexer Bewertungsprozess, der sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigt.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Fragmentierung der Datenlandschaft. Während große börsennotierte Unternehmen bereits verstärkt Berichtspflichten unterliegen, fehlt es bei kleinen und mittelständischen Betrieben oft an Ressourcen, Know-how und Infrastruktur, um belastbare Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen. Finanzinstitute stehen dadurch vor der paradoxen Situation, dass gerade jene Sektoren, die für die Transformation entscheidend sind, am wenigsten belastbare Daten liefern. Dies erschwert nicht nur die Berechnung der Taxonomiekonformität, sondern mindert auch die Vergleichbarkeit und Konsistenz der Ergebnisse. Zudem ist die Taxonomie selbst im Wandel: Technische Bewertungskriterien werden laufend erweitert oder präzisiert, was Planbarkeit und Stabilität erschwert. Banken und Vermögensverwalter müssen ihre Systeme laufend anpassen und neue Prozesse etablieren – ein Kraftakt, der Zeit, Geld und Expertise erfordert.

All diese Faktoren erklären, warum die Fortschritte bisher eher schleppend ausfallen. Es handelt sich nicht um ein kurzfristiges Reporting-Thema, sondern um einen tiefgreifenden Strukturwandel der Finanzbranche. Die EU-Taxonomie zwingt die Institute, ihre Datenbasis grundlegend zu verbessern, ihre Investmentprozesse neu zu denken und Nachhaltigkeitsbewertungen zur festen Größe ihrer Strategie zu machen. Dabei geht es nicht nur um regulatorische Pflichterfüllung, sondern um eine kulturelle Veränderung im Umgang mit Kapital: weg vom kurzfristigen Renditedenken, hin zu einem langfristigen, verantwortungsbewussten Investieren. Dieser Wandel braucht Zeit – und er erfordert nicht nur neue Instrumente, sondern auch ein gemeinsames Verständnis dafür, dass nachhaltige Finanzströme kein bloßer Trend, sondern ein unumkehrbarer Bestandteil einer neuen Wirtschaftsordnung sind.