Es gibt diesen alten chinesischen Fluch, der als Segen getarnt daherkommt: „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“ Wer heutzutage Nachrichten konsumiert oder sich gar aktiv mit globalen Entwicklungen beschäftigt, weiß, wie bittersüß diese Redewendung ist. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein – politisch, wirtschaftlich, ökologisch. In solch einem Spannungsfeld fand kürzlich eine Nachhaltigkeitskonferenz statt, die genau diesen Widerspruch zum Thema machte: Wie kann man nachhaltige Lösungen entwickeln, wenn das Fundament der Weltordnung wankt?
Die Konferenz selbst war ein Spiegel dieser widersprüchlichen Gegenwart. Hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft versammelten sich, um über Strategien für eine nachhaltigere Zukunft zu diskutieren. Zwischen den Podien, Vorträgen und Workshops wurde deutlich: Nachhaltigkeit ist kein Randthema mehr, sondern ein Überlebensprinzip – für Unternehmen, für Gesellschaften, für den Planeten. Doch gleichzeitig schwebte eine gewisse Ohnmacht über dem Geschehen. Denn wie soll man langfristige Ziele verfolgen, wenn kurzfristige Krisen alles dominieren?
Ein zentrales Gefühl, das viele Teilnehmende teilten, war die Ambivalenz. Einerseits wurde betont, wie weit man bereits gekommen sei: ESG-Kriterien sind in vielen Unternehmen Standard, Lieferketten werden zunehmend transparent, Investoren fragen gezielter nach ethischen und nachhaltigen Geschäftsmodellen. Auf der anderen Seite wurde aber auch klar: Der Fortschritt reicht nicht. Die Klimakrise schreitet schneller voran als unsere Lösungen. Die geopolitischen Spannungen – ob zwischen Großmächten oder innerhalb einzelner Staaten – machen multilaterale Zusammenarbeit zunehmend schwieriger. Und selbst wohlmeinende Initiativen stoßen oft an ihre strukturellen Grenzen.
Besonders eindrucksvoll war der Beitrag einer jungen Aktivistin, die in einer leidenschaftlichen Rede mahnte, nicht in Zynismus oder Selbstzufriedenheit zu verfallen. Sie sprach davon, dass Nachhaltigkeit nicht bloß ein „nice to have“ sei, sondern eine Frage der Gerechtigkeit – zwischen den Generationen, aber auch zwischen Nord und Süd, Arm und Reich. Ihr Appell war deutlich: Reden allein reicht nicht. Was zählt, sind konkrete Taten, und zwar jetzt. Viele im Saal applaudierten, manche mit glänzenden Augen – ein seltener Moment der emotionalen Klarheit in einem sonst oft verkopften Diskurs. Am Ende der Konferenz blieb ein gemischter Eindruck. Hoffnung, ja. Aber auch Sorge. Der Wille zur Veränderung war spürbar, doch ebenso die Hindernisse. Vielleicht ist genau das der Kern des Lebens in „interessanten Zeiten“: Die Herausforderung, trotz Chaos und Unsicherheit nicht zu resignieren, sondern zu handeln. Nicht, weil die Zeiten günstig sind, sondern weil es notwendig ist.